Ein Versuch, das Thema "Jugendpornographie" p r a k t i s c h zu erörtern.
Bei Durchsicht der ganz uferlosen Literatur zum Thema erkennen wir zwei Quellenbereiche, die mir für die konkrete Arbeit beide etwas unglücklich erscheinen. Einmal kann die ganze Batterie der vereinigten Sozialwissenschaften, mit Moraltheologie und Anthropologie, Sozialgeschichte und Ästhetik aufgefahren werden - oder man verharrt auf Biertisch- und Lehrerzimmerniveau, beim Hausfrauenkränzchen oder gar in den Kloaken der Blöd-Zeitung.
Diese methodische Situation ist für viele sexuell getönte Sachbereiche ganz typisch, der Spagat zwischen Wissenschaft und volkstümlicher Bewertung nimmt je nach Gebiet abstruse Maßstäbe an. Wobei wir vorsichtig sein sollten, denn nicht immer hat der Volksmund Unrecht. So sind Pädophile, um ein Beispiel herauszugreifen, tatsächlich k r a n k, sie müssen behandelt werden im Sinne einer strengen Verhaltenstherapie, sie sollten sich Grundschulen nicht nähern usw. Für unseren Bereich der Jugendpornographie aber scheinen mir beide Herangehensweisen, die wissenschaftliche wie die volkstümliche, wenig sinnvoll.
Eine naive, vorwissenschaftliche Methodik, die Schritt für Schritt einige Sachverhalte aufzudröseln versucht, kann da nützlich sein. Versuchen wirs.
1.
Jugendpornographie will immer vom Darsteller her gewertet sein.
Wir haben es nicht mit abgebrühten oder doch seelisch robusten Erwachsenen zu tun. Jugendliche sind, was immer sie bisher auch schon erlebt haben mögen, in ihren Erfahrungen beschränkt. Sie haben viele soziale Situationen und seelische Vorgänge noch nicht durchleben können. Was nicht bedeutet, daß sie immer gegängelt werden müssen, aber sie bedürfen im Zweifelsfall unseres S c h u t z e s.
Die Altersgrenze, von der ab dann jeglicher Schutzgedanke "plötzlich" entfallen soll, kann natürlich nur starr gezogen werden. Unser Strafrecht dagegen nimmt auf gleitende Übergänge hin zur vollen Verantwortlichkeit sehr geschickt Rücksicht. Das ist hier nicht durchführbar. Wo es um ausgeübte, um explizit sexuell agierende Pornographie geht, ist die Schutzgrenze von 18 Jahren recht glücklich gewählt.
2.
Es kommt überhaupt nicht darauf an, was der zu schützende Jugendliche w i l l .
Eines der unglücklicheren Übrigbleibsel aus dem Fundus der 68er Jahre ist der Mythos von den Kinder- und Jugendrechten. Soweit es Rechte auf Schutz sind oder auf Mitbestimmung und innere Demokratie, wird niemand etwas dagegen sagen. Es ist aber in aller Regel töricht und verantwortungslos, Kinder und Jugendliche über Dinge "selbst entscheiden" zu lassen, deren T r a g w e i t e sie noch nicht voll begreifen können.
Sexuelle Bereiche gehören ganz typisch zu den komplizierten Themen, bei denen man zu allerletzt auf ein Vorwissen, auf Erfahrung und Urteilskraft von Jugendlichen bauen darf.
Ich habe in den jahrelangen Diskussionen im "Jungsforum" die - an dieser Stelle ein offenes Wort - Perfidie, die ganze Niedertracht einer Argumentation erlebt, die da in gespielter Naivität immer wieder neu herbetet, die unreifen Kinderknäblein "wollten es ja selber". Auf der gleichen Ebene liegt die oberflächlich-hurtige Feststellung, es mache den Jugendlichen doch Spaß, sich explizit sexuell vor der Kamera auszuleben. Und also soll man sie ruhig machen lassen?
Wir bewahren Jugendliche vor vielen Gefahren. Alkoholbeschränkungen (noch viel zu zaghaft), Tabak, Nachtzeiten in Diskotheken usw. kommen ihnen zugute - und da soll der wichtige, besonders von Lebenserfahrung abhängige Bereich der Sexualität ausgegrenzt bleiben?
3.
Vom Jugendlichen her muß pornographische Darstellung d i f f e r e n z i e r t werden.
Wenn ich jugendliche Menschen schützen will, ist mir die Begründung auferlegt, welche möglichen Gefahren ich denn sehe und was der Schaden ist, der eintreten wird oder doch eintreten kann, wenn mein schützender Eingriff unterbleibt.
Hier beginnt nun die eigentliche Tagesdiskussion - darf ich Werte einführen, wie ist das mit der "Moral", welche Rolle spielt das Urteil einer fundamental religiösen, einer sozialistischen, einer naiv-kleinbürgerlichen, einer akademischen Gruppierung bei einer Regelung, die ja doch alle gleichermaßen (be)treffen soll?
Hier kann uns der Schutzgedanke (Punkt 1) weiterhelfen. Gehen wir vom Wohl und Wehe des Jugendlichen aus, zeigt sich, daß der Intensität, der A r t der jugendpornographischen Darstellung eine Schlüsselrolle zugewiesen ist.
Wir müssen unbedingt unterscheiden zwischen zwei Grundformen der Jugendpornographie:
Einmal die explizite Darstellung k o n k r e t s e x u e l l e r H a n d l u n g e n. Ich setze alle drei Worte fett, weil sie zur Abgrenzung gleichermaßen notwendig sind. Unter konkret sexueller Handlung verstehen wir zunächst die bekannten Grund- und Ersatzformen des Geschlechtsakts im engeren Sinn. Dazu kommt eine Übergangsform, die je nach ihrer Intensität einzuordnen wäre, nämlich die Masturbation. Solche Übergangszonen sind notwendig. Ich kann die einfache Erektion, auch begleitet von masturbatorischer Selbstbetätigung, nicht als "Geschlechtsakt" werten, das sieht der Junge nicht "tragisch" und auch eine breitere Öffentlichkeit lächelt da eher verständnisvoll. Dagegen rechne ich die Aufnahme eines ejakulierenden Jungen zur konkret sexuellen Handlung im engeren Sinn. Noch wichtiger ist diese Übergangszone beim Mädchen. Leda, ob mit oder ohne Schwan - das sich streichelnde, mehr oder minder masturbierende Mädchen agiert nicht explizit sexuell, während die Verwendung etwa eines Dildos keinen Zweifel aufkommen läßt an der Einordnung als explizit und konkret.
Wir haben also nun zwei Grundformen pornographischer Handlung bzw. Darstellung.
Die n i c h t konkret-explizite muß in jeder, wir sagen, in j e d e r ihrer Ausformungen straffrei bleiben. In den Medien greift ja nach wie vor der sehr strenge und durchaus bewährte Medienschutz, und andere Auswüchse, denken wir an den Sado-Maso-Bereich, kann die Prüfstelle indizieren. Verbreitung (und natürlich auch der Besitz) von nicht expliziter, nicht konkreter Jugendpornographie ist in einem aufgeklärten Land straffrei.
Dazu wird viel zu sagen sein. Da unser Kriterium aber nicht irgendeine imaginäre "Sittlichkeit" sein soll, sondern die Frage, ob etwas zum S c h u t z des Jugendlichen, zur Abwendung von S c h a d e n verboten bzw,. eingegrenzt werden muß, kann hier pauschal formuliert werden: Auch bei der nicht expliziten Jugendpornographie können dem mitwirkenden Jugendlichen Nachteile entstehen, kann er Schaden nehmebn - aber das bleibt so weit unter dem Außmaß des möglichen Schädigung durch die e x p l i z i t e Jugendpornographie, daß es toleriert werden kann. Ein schadensfreies Aufwachsen gibt es nicht.
4.
Wir behaupten mögliche schwere Schädigungen, drohende Gefahren für Jugendliche durch e x p l i z i t e Jugendpornographie.
Dazu gehört die Gefahr einer Ä c h t u n g durch die Gesellschaft. Man darf dabei überhaupt nicht hören auf libertinistische, radikal sexualreformerische, feministische oder radikal homosexuelle Gruppen, Kreise, Zirkel. Auf diese kann es nicht ankommen, wenn wir feststellen, daß weite Felder der Bevölkerung die öffentliche Darstellung, die Darbietung von, das Mitwirken an konkret sexueller Pornographie nicht nur tabulisieren, sondern der Verachtung preisgeben. Ich brauche das nicht näher auszuführen, es ist allgemein bekannt.
Der mitwirkende Jugendliche bekommt zwar von der öffentlichen Meinung her eine Art "Bonus" - er weiß es ja noch nicht besser, wir waren alle einmal jung, usw. Das Fatale ist aber, daß diese Nachsicht später, wenn die einst so Agierenden nun längst erwachsen sind, entfällt und Frau Professor, die als Sekundanerin mit zwei in jeder Hinsicht kräftig gebauten Wildhütern in der Almhütte zugange war, dem sozialen Tod anheimfällt, wenn der Film, zwanzig Jahre später, im Hörsaal plötzlich an die Wand projiziert wird.
Diesem "sozialen Tod" steht ein seelisches Pendant gegenüber. Da es schwer zu fassen ist und den Nachteil hat, "moralinsauer" begründet zu sein, deute ich den Sachverhalt hier nur an. Die Freude, der Kitzel am ponographischen Agieren kommt vom Wissen um das Durchbrechen der Intimität. Ich e n t w e i h e etwas an sich (und weiterhin) sehr Heiliges, Persönliches ganz bewußt, indem ich mich einer Vielzahl imaginärer und konkreter Zuschauer aussetze.
Warum soll der Jugendliche diesen Kitzel nicht (auch) genießen dürfen? Weil es sich um ein sexuell gewagtes, ungewöhnliches, (ich sage nicht: abweichendes) Verhalten handelt, das zwar fast alle Erwachsenen kennen und oft auch genießen, das aber einer späteren Entwicklungsstufe zugeordnet werden sollte. Der Lustgewinn aus sexuell expliziter Selbstdarstellung ist, das spüren wir, nicht unbedingt jugendgemäß. Im Gegensatz dazu ist die Lust, besonders des älteren Jungen, am Herzeigen seines sozusagen frisch und neu konstruierten Körpers legendär, auch das massiv Exhibitionistische im Verhalten junger Mädchen kennen wir alle. Das alles gilt aber nicht für das Herzeigen des Geschlechtsakts. Das scheint seelisch nicht jugendgemäß zu sein. Auch wenn wir hier nur im Vermuteten bleiben, es scheint mir im Abfilmen des Sexualakts, wenn er durch Jugendliche ausgeübt wird, etwas nicht Altersgemäßes, möglichweise s e e l i s c h S c h ä d l i c h e s zu liegen.
Weitaus geifbarer aber ist die Gefahr durch das M i l i e u, in dem Filme und Fotos sexuell konkreter Art hergestellt werden. Ich kann mich hier Frau Dr. Kaiser in gar keiner Weise anschließen und verwahre mich energisch gegen das helle, sonnige Bld, das sie von der Entstehung expliziter Jugendpornographie in Holland usw. zeichnet. Zwar ist, auf diesem Gebiet, in den Niederlanden seit jeher alles etwas anders als sonstwo - wir werden das hoffentlich zusammen noch näher darstellen und diskutieren -, aber die angebliche Unbefangenheit und Lustigkeit, mit der unsere eroberten Ostvölker Jugendpornographie daherfilmen, als seien es Puppenspiele oder Kulturfilme, halte ich für einen unverantwortlichen und ziemlich verlogenen Mythos.
Bei näherem Hinsehen sind sehr viele Jugendliche in Osteuropa wertekonservativ, sie schämen sich sexuell expliziter Abfilmerei und tun das alles nur um des neuen Gottes willen, der da Euro heißt oder Dollar.
Das Milieu, in dem sexuell explizit fotografiert und gefilmt wird, ist für die seelische Entwicklung Jugendlicher überwiegend negativ zu bewerten, auf mehreren Ebenen. Man braucht das gar nicht näher aufzudröseln, schon das Darbieten intimster Gefühle für G e l d hat einen Rattenschwanz komplizierter s e e l i s c h e r S c h a d e n s p o t e n t i a l e mit sich im Gefolge. Wenn wir die Jugendprostitution verbieten, dann müssen und dürfen wir auch der Jugendpornographie einen Riegel vorschieben.
Sofern - bitte unterschätzen Sie die Einschränkung nicht - diese Pönalisierung bezogen bleibt auf die Darstellung sehr konkreter sexueller Handlungen. Wir geraten demnächst, durch die Umsetzung des unseligen Jugendpornographiegesetzes in seiner jetzigen Form, in ein kaum vorstellbares Justizchaos nicht durch den vernünftigen und wünschbaren Kern seiner Bestimmungen, sondern durch
*schlampige und überzogene Abgrenzungen im Übergangsbereich zwischen dargestellter J u g e n d e r o t i k und konkreter, expliziter Jugend s e x u a l i t ä t.
Freitag, 10. Oktober 2008
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