Samstag, 8. November 2008

Verteidigung in Sachen Jugendpornographie - die Linie




Die einzige Verteidigungslinie, die ich kurz- wie auch mittelfristig sehe, ist das beharrliche Insistieren auf der Unterscheidung von Pornographie und Kunst.


Voraussetzung dabei ist, daß die "herrschende" Definition von Pornographie (Hervorhebung, Anreizung... Sie kennen den ganzen Schmonzes ja)


- in anderen Zusammenhängen, für andere Zwecke entwickelt worden ist,


- aufgrund ihres Alters einer modernen Kunstauffassung nicht entspricht.


Beide Voraussetzungen lassen sich nachweisen. Dazu genügt es, gutachterliche Stellungnahmen einzuholen. Sie werden eindeutig ergeben, daß für eine so einschneidende gesetzliche Maßnahme, wie sie das Jugendpornographiegesetz darstellt, die Abgrenzung
* Pornographie versus Kunst n e u d e f i n i e r t werden muß.

Was bedeutet das für die nun anrollende Justizpraxis?


1.

Versuchen wir, die Aussagen der Gutachter vorwegzunehmen. Wir kennen ja die Lage in den beteiligten Disziplinen und können in etwa abschätzen, was die herrschende Lehrmeinung ist.


In der Regel wird gelten: Das im Kunstwerk Dargestellte w ä r e , wenn es tatsächlich vollzogen würde, nicht strafbar. Bei Foto und Film: Es i s t nicht strafbar gewesen.
Diese Vorbedingung ist nicht zwingend, vereinfacht die Argumentation aber sehr.

Ich darf das an zwei Beispielen aus der Literatur darstellen, wo unsere Verteidigungslinie problematisch wird:


a.
Es gibt eine Art fingiert-autobiographische Novelle, die ich respektlos als "gekonnte Wichsvorlage" einschätzen würde, den sogenannten "Stefan-Text". Darin wird, sehr s u g g e s t i v, geschildert, wie ein Kind (bzw. mit dem Fortgang der Handlung dann ein Jugendlicher) einem sadistischen "Jugendfreund" verfällt und von diesem psychologisch so dressiert wird, bis er den Sadismus des Erwachsenen "lustvoll" toleriert.

Die erste Instanz (T r i e r) hatte den Text - wie ich meine zurecht - als (kinder)pornographisch eingestuft, schließlich gelang es einem pfiffigen Anwalt, in letzter Instanz einen Freispruch zu erzielen.
Wie gewöhnlich war juristisch alles noch etwas komplizierter, ich vereinfache das jetzt.

Den Stefan-Text, den ich mit Absicht nicht hierher verlinke, kann man sich aus dem Netz googeln. Es ist nach meiner Einschätzung eine ***brandgefährliche, abgrundtief böse, in Form und Inhalt sich Kindern und Jugendlichen anschmusende Anleitung für junge Menschen zum Verderben und Verkommen.

b.

Es gibt im angelsächsischen Raum, teilweise auch in Deutschland eine ehrwürdige, harmlose Tradition flagellantisch-literarischer Texte. Auch deutsche Autoren schreiben dort von Zeit zu Zeit.

Mitten in diesem Rohrstock- und Tatzenidyll tauchten plötzlich schwer sadistische, zynisch-abwertende, wahrhaft infame Texte eines (mir vom Nachnamen her bekannten) deutschen Autors auf, die seitenweise zum Besudeln, Erpressen, Bestehlen und Versklaven von Strichjungen in Berlin aufriefen, auch sie suggestiv und von abgrundtiefer Bosheit und Schlechtigkeit.


Was tun mit Texten dieser Art, die zwar literarisch und künstlerisch recht hochstehend, in ihrer Tendenz und Aussage aber gefährlich, suggestiv, potentiell schädigend sind?


Meine Antwort darauf ist: Wir brauchen einen sehr guten, einen noch genaueren
J u g e n d s c h u t z im Internet, beim Buch- und CD-Vertrieb. Wird dieser durchgesetzt, wobei die gegenwärtige Regelung vollkommen ausreicht, dann gibt es keinen, aber auch wirklich keinen Grund, die Knebelung der Literatur im Sinne des unsäglichen neuen Jugendpornographie-Gesetzes zu befürworten.

Denn es gibt keine Abgrenzungsmöglichkeit zwischen Alltagstexten und künstlerischer Dichtung. Wenn ich b e w u ß t triviale Texte schreibe, als Dichter in die Rolle des Lieschen Müller schlüpfen will, weil das "meine" Kunstform ist - wer will mir das Gegenteil nachweisen?


2.

Dies gilt auch für die Fotografie, das Filmen und das Malen. Ob bereits der Körper, insbesondere der nackte, ein Kunstwerk sei, mag dahingestellt bleiben.

Seine Ablichtung wird aber in jedem Fall immer dann zum Kunstwerk, wenn er durch meine Linse gefilmt, fotografiert, mit meinem Stift gezeichnet wird.


a.

Weiterhin gilt die Voraussetzung, daß das Dargestellte an sich legal ist. Schwierig wird es, ähnlich wie in der Literatur, in bestimmten Grenzbereichen.

Wenn ich "lustvolle Kindersexerlebnisse" oder wie sonst das reichlich verkommene Vokabular der unseligen Knaben- und Mädchenliebhaber sonst lauten mag, als Avatar, in Form von künstlich zusammengebauten "Poser Art" - Bildern darstelle, dann suggeriere ich etwas Strafbares, verleite ich unter Umständen zum "Kindersex".


b.

Ob die in den USA so beliebten, ungemein stark verbreiteten "Dolcett"-Darstellungen, das genüßliche Verspeisen von Frauen nach vorherigem Rösten am Spieß usw., nicht im Einzelfall auch zur Nachahmung, zur Gewöhnung führen mögen, weiß ich nicht. Was ich aber ganz sicher weiß: Hier liegt ein weiterer Grenzfall vor, über den nachgedacht werden muß.


c.
Ich habe die Entstehung der "gezoomten" Kinder-FKK-Fotos beobachtet und ihr Erscheinen in den 90er Jahren scharf gerügt, auch in damals abgedruckten Leserzuschriften an eben diese FKK-Magazine.

Diese Art von Kinderpornographie im FKK-Bereich ging auf zwei äußerst gewissenlose, nach meiner Einschätzung nur begrenzt zurechnungsfähige manische "FKK-Filmer" zurück, die mit ihren Videogeräten den Plattensee, die Slowakei und neuseeländische Strände unsicher machten. Sie haben damit viel zum Untergang der FKK-Bilderpresse beigetragen.


Hiervon einmal abgesehen ist aber der gesamte Jugendbereich der Akt- und FKK-Fotografie Kunst und nicht Pornographie.


Hier gilt es nun auch, eine Verteidigungslinie von den kümmerlichen Resten der FKK-Bewegung her aufzubauen.


d.

Ich habe Verständnis dafür, wenn die konkrete sexuelle Vereinigung Jugendlicher nicht mehr in Foto und Film verbreitet werden darf - unter folgenden Voraussetzungen:


- Die Grenze zu dem, was "sexuelle Vereinigung" ist, sollte sehr eng gezogen werden. Es ist völlig undenkbar, wenn das "Aufziehen der Schamlippen" oder einfaches Onanieren Jugendlicher in der Darstellung verboten wird,

- Die Hexenjagd auf Altbesitz muß unterbleiben. Älteres, "patiniertes" Material sollte im Bereich der Jugenderotik besessen werden dürfen,

- Was l i t e r a r i s c h und im Bereich der bildenden Kunst im engeren Sinn (Zeichnung, Gemälde, Skulptur) geschaffen wird, ist immer auch Kunst und nie n u r Pornographie,

- Aktfotografie und das Filmen des nackten jugendlichen Körpers ohne sexuelle Vereinigung k a n n immer auch Kunst sein. Es muß daher straflos bleiben.


Ich breche hier, wieder einmal, mit Bedauern ab. Vielleicht sehen Sie jetzt etwas deutlicher, wo die Verteidigungslinie läuft, was ihre Schwachstellen sein mögen und worum es im Kern gehen wird: Ist es n u r Pornographie oder könnte es nicht a u c h Kunst sein?

Das Foto steht in keinem direkten Zusammenhang zum Text. Ich danke dem Bildautor Daniel Schaller (onlinegui.de) und entferne das Foto nach formloser Aufforderung sogleich.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Der Kunstbegriff ist m.E. keine Lösung für das Problem.

1) Soweit die Tathandlungen tatsächlich schädigend oder gefährdend sind, würde eine Einordnung als "Kunst" sie dann entschuldigen? Sollten wir dann auch künstlerisch ausgeführten Morde oder Banküberfälle zulassen?

2) Der Kunstbegriff ja noch viel unschärfer, als der Pornografiebegriff. Würde die Anwendung derart unscharfer Begrifflichkeiten im Strafrecht nicht zu Recht gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen? Wie soll der Bürger wissen, was strafbar ist, wenn man dazu eine "gutachterliche Stellungnahme" benötigt? Wer sollte nach welchen Kriterien entscheiden, was Kunst ist und was nicht, bzw. welche Gutachter anerkannt werden und welche nicht?

3) Wieso wäre das Motiv "Befriedigung des künstlerischen Interesses" ethisch legitimierend, das Motiv "Befriedigung des Sexualtriebes" hingegen nicht?

Unknown hat gesagt…

Wenn Sie schon mein Bild verwenden, so wäre ich wenigstens für eine verlinkung auf www.stadtgui.de dankbar!
Gruß
Daniel Schaller